Ich freu mich sehr, meine Faszination für das Eiswasser mit euch teilen zu dürfen. Zunächst, was bedeutet kaltes Wasser für mich?
Das Erleben dieser Kälte im Wasser bedeutet für mich einen Neustart, eine Möglichkeit bei null anzufangen, Neues zu erleben, ein nächstes Abenteuer, eine Freude, etwas zu schaffen, Stolz auf das Geleistete zu sein und Glücksgefühle intensiv zu erleben.
Kaltes Wasser hat mich als Mensch verändern. Früher war ich impulsiver, wenig ausgeglichen, fokussiert ja, aber ich hatte nicht so einen starken ausdauernden Fokus, nicht diese mentale und physische Stärke. Aber als ich 2010 den Hallstättersee durchschwommen habe und ziemlich leichtsinnig daraufhin erklärt habe, den Ärmelkanal zu durchqueren, habe ich einen Weg eingeschlagen, in dem das Eisschwimmen und der Kontakt zur Kälte zu einer Schlüsselrolle wurden. Bei der Vorbereitung für meine Ärmelkanal-Durchquerung 2015 war ein wesentlicher Aspekt, Kälte zu trainieren. Die Durchquerung würde 15 Stunden bei 16 Grad bedeuten. Ich habe im Training schnell für mich festgestellt, wenn ich den Ärmelkanal schaffen möchte, dann muss ich auch im Kalten schwimmen lernen. Somit war der Wunsch, nicht nur im Wasser zu verharren, sondern mich darin zu bewegen, entfacht. Die Freude an der Kälte mit der Freude zur Bewegung zu verbinden. Den Flow-Moment so oft als möglich zu erleben. Diese Erkenntnis war eine unglaubliche Bereicherung und brachte eine erstaunliche Veränderung in mein Leben.
Ich möchte euch diese meine Welt des Eisschwimmen zeigen.
Nahezu jede und jeder sucht ja irgendwie oder irgendwas. Aber was ist das Gefühl von Erfolg? Was ist Freude? Was ist das Gefühl von Kraft und das Gefühl von Leichtigkeit? Es ist ein Ausstoß von Hormonen, die deinen Körper fluten. Genau das ist es, was sich beim Eisschwimmen einstellen kann. In dieser Zeit, wo man zum Wasser geht, der Zeit im kalten Wasser und dem Aufwärmen und Warmzittern danach, durchlebst du so viele verschiedene Gefühlsmomente: beim Hingehen, beim Ausziehen einen Adrenalinausstoß, diese, ja manchmal sogar Furcht vor der Kälte, ein natürlicher Schutzmechanismus deines Körpers, die Angst vor den Schmerzen, ein ureigener Fluchtmechanismus, um uns zu schützen. Dann im Eiswasser spürst du die unglaubliche Kälte, spürst deine Atmung, die reagiert. Der Strom der Gedanken ist unterbrochen, du bist ganz präsent. Der Augenblick gehört dem Moment. Du spürst, wie sich deine Haut, mitunter schmerzhaft zu Beginn, den niedrigen Temperaturen anpasst. Aber du bist schon mit dem Element Wasser in Verbindung, die größte Überwindung ist geschafft. Und dann, wenn sich die Haut und der Körper den niedrigen Temperaturen angepasst haben, stellt sich ein Moment des Wohlfühlens, ein wohliges Gefühl ob der widrigen Umstände im Körper ein. Wieder ein Hormonausstoß, den dein Körper erfährt und dich deine Kraft spüren lässt. Das kurze Verweilen in der Kälte, die plötzlich ganz anderes vom Gehirn interpretiert wird. Daraufhin das Rausgehen, ein Moment der Zufriedenheit, ein wollig oft sogar warmes Gefühl. Nach einem kurzen Zeitfenster danach setzt das Warmzittern ein, der Körper geht in seine absolute Kraft, wärmt sich selbst, du hast es geschafft, du kannst stolz auf dich sein.
Warum ist es mir ein Anliegen, Menschen ins Wasser zu begleiten und ihnen das Eisschwimmen zu zeigen?
Dieses starke Gefühl und die vielen positiven Emotionen, welche mich nun seit Jahren begleiten, möchte ich jeden erleben lassen. Mir gibt es selbst extrem viel, wenn ich jemanden ins Eiswasser begleiten und die eben beschriebenen Phasen miterleben darf. Wie emotionsgeladen viele meiner Eisschwimmerinnen und Eisschwimmer am Ende glücklich da stehen und ihr Umfeld unglaubliche Dankbarkeit erfährt, dass er oder sie das erleben hat können. Man ist einerseits positiv überrascht, was man selbst zu leisten im Stande ist und zweitens, dass das Medium kaltes Wasser absolut kein Feind ist, sondern professionell begleitet und richtig dosiert das Eiswasser ein absolutes Gottesgeschenk, ein riesen Erlebnis, ein Abenteuer sein kann. Nicht mit einer zu hohen Intensität und nicht zu wenig. Wenn du diesen Moment erwischt, ist das Glücksgefühl größer als die Anspannung davor. Dann kann das Eisschwimmen zu einer Sucht, im positiven Sinn von etwas, das du immer wieder suchst, werden. Auf dieser Welle wirst du nicht abgeworfen.
Nicht selten kommt es vor, dass Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach einem Eisschwimm-Workshop mir erzählen, dass sie sich motiviert und willensstärker den je fühlen, geerdet und neu ausgerichtet in ihrem Leben. Ein Umstand, den ich neben der Bereicherung des Eisschwimmens auf eine physische und psychische Gesundheit, auch darauf zurückführe, dass wir uns in unglaublich schönen Gewässern aufhalten und die Natur uns zu erden vermag. Nicht nur deswegen, aber auch deshalb sind der Schutz und die Sicherung von Wasserqualität ein Thema, für das ich mich stark aktiv einsetze und das ich aufzeige. Ich erachte es als ungemeines Privileg in sauberem Wasser schwimmen zu können und wünsche mir diesen Respekt mit allen Menschen, die ich ins Wasser begleite, zu teilen. Eines meiner besonderen Herzensthemen wurde damit verbunden in den letzten Jahren die Schönheit der Gletscher, auf deren Schutz ich bei meinen Aktionen aufmerksam mache.
Was solltest du beachten, wenn du die ersten Male ins Eiswasser gehst?
Wesentlich ist es einen gesunden Respekt vor dem Eisschwimmen zu haben. Toll ist es, wenn du jemanden hast, der dir erklärt, was du mitnehmen kannst, wie du es anwendest und wie du es dann auch aktiv nutzen kannst. Damit ist nicht nur die eigentliche Ausrüstung gemeint. Vielmehr ein Set an mentalen Tools, die dir helfen, dich in Extremsituationen zu Recht zu finden. Ich bin schrittweise und über Jahre selbst drauf gekommen, wie ich was einsetzen kann. Diese Erfahrung teile ich sehr gerne. Vor allem ist es mir aber ungemein wichtig, Eisschwimmen sicher zu machen. Jeder, der daran Interesse hat, sollte sich jemanden suchen, der Erfahrung damit hat, dem er vertrauen kann, der ihm Ruhe gibt und der selbst viel Wissen mit sich trägt. Wen er dabei auf mich kommt, freut es mich wahnsinnig. Ich möchte jedem eine Methode zeigen, mit der man sich sicher im Wasser bewegen kann. Und ein positives Erlebnis daraus wird, womöglich der Beginn einer neuen Leidenschaft.